6 GHz: Das Knistern, die Geschwindigkeit - und die ernüchternde Realität
Ruckus Technologie, WiFi, WLAN
Jim Palmer erklärt warum sich die aufregenden Zahlen einer Wi-Fi-Spezifikation nicht immer direkt in die reale Anwendungsleistung umsetzen lassen und wie eine durchdachte Neugestaltung der Wi-Fi-Architektur eine ganz andere Art von Leistung freisetzen kann, für die es sich lohnt sich zu begeistern.
Als das 6-GHz-Band zum ersten Mal für die Nutzung in Wi-Fi-Netzwerken im Jahr 2020 freigegeben wurde, schien es, als sei die Zukunft angekommen. 1,2 GHz an zugewiesenen Frequenzen (je nachdem, wo man wohnt) sind eine Menge neuer Frequenzen, die genutzt werden können. Die einst (vor 6 GHz) verpönte Praxis der 80 MHz breiten Kanäle wurde plötzlich akzeptabel.
Überall wo ich hinsah sah ich Menschen, die in ihrer Aufregung über das neue Spektrum verkündeten: "80er sind die neuen 20er". Das goldene Zeitalter des Wi-Fi war endlich angebrochen und viele träumten von der Zeit, in der wir endlich offen der Praxis frönen konnten, die wir alle nach der Installation neuer Geräte anwenden - einen Geschwindigkeitstest durchzuführen. Während wir uns oft über diejenigen beklagen, die jeden Tag einen Geschwindigkeitstest durchführen und dann anrufen um zu fragen, warum sie nicht die maximale Geschwindigkeit erreicht haben, von der sie in den technischen Daten gelesen haben, lieben wir es auch selbst die Geschwindigkeitstest-Apps auszupacken und herauszufinden wie schnell wir unsere neuen Geräte zum Laufen bringen können.
Wenn man mit einem Laptop einen Geschwindigkeitstest durchführt und ein Ergebnis von 5 Gbit/s nach oben und unten erhält (das sind etwas mehr als 50 % der maximalen PHY-Rate von 9,6 Mbit/s für einen 160 MHz breiten Kanal mit acht räumlichen Streams), das ist für uns Nerds einfach nur aufregend. Geschwindigkeit ist die magische Zahl, nach der wir alle bei jeder neuen Version von Hardware suchen, nicht wahr?
Ohne jetzt auf die Bremse treten zu wollen, aber es wird noch lange dauern bis jemand von uns ein mobiles Gerät sieht, das auch nur annähernd 5 Gbit/s über die Luft überträgt, ganz zu schweigen von der maximalen PHY-Rate von 9,6 Gbit/s. Wir können uns das Datenblatt an die Wand hängen genau wie die Poster von Supersportwagen von denen ich als Kind geträumt habe, aber in naher Zukunft wird dieser Traum nicht von dem Poster in die reale Welt gelangen.
Tatsache ist, dass es heute noch keine mobilen Geräte gibt, die Daten mit einer Geschwindigkeit von 9 Gbit/s verarbeiten können, was dem Herunterladen von zwei durchschnittlichen Netflix-Filmen pro Sekunde entsprechen würde! Diese unglaubliche Leistung macht auf dem Datenblatt sicherlich Eindruck, aber genau wie die Poster der Supersportwagen aus meiner Jugend werden sie vorerst an der Wand hängen bleiben.
Wissen Sie was nicht beachtet wird? Eine kabelgebundene Verbindung mit 10 Gbit/s. Der IEEE-Standard 802.3ae wurde erstmals 2002 definiert, also vor 20 Jahren! Heute sprechen die Leute routinemäßig darüber, dass sie einen 10-Gbit/s-Service in ihre Häuser bekommen - es ist zum Standard geworden; nichts worüber man sich aufregen müsste.
Es gibt jedoch einen Ort an dem 10-Gbit/s-Verbindungen (aufwärts oder abwärts) nicht alltäglich sind und in stillen Ecken der Wi-Fi-Welt werden sie dringend benötigt. Dieser unscheinbare Ort, über den wir nicht gerne sprechen, sind Mesh-Netzwerke. Die Einrichtung von Wi-Fi-Netzwerken mit Mesh ist der letzte Ort an den ein Wi-Fi-Experte gerne geht, aber an immer mehr Orten ist dies die einzige Möglichkeit den Endnutzern Wi-Fi-Dienste anzubieten.
Die Sache ist die, dass Mesh sehr ineffizient und eine Verschwendung von Frequenzen ist, mit einer begrenzten Anzahl von Möglichkeiten es richtig zu machen und fast unendlich vielen Möglichkeiten es falsch zu machen. Um qualitativ hochwertige Backhauls zu erhalten sind wir gezwungen 5-GHz-Kanäle für die Mesh-Verbindung zu verwenden. Aber wenn wir das tun sind wir gezwungen alle Clients auf das 2,4-GHz-Spektrum mit seinen 20-MHz-Kanälen und niedrigeren PHY-Raten zu verlagern.
Wenn der Mesh-Backhaul auf das 2,4-GHz-Band umgeschaltet wird können sich die Clients mit den 5-GHz-Funkgeräten verbinden und die höheren PHY-Raten nutzen, aber die Backhaul-Verbindung kann den Client-Datenverkehr nicht unterstützen. Selbst wenn es richtig gemacht wird, ist Mesh also immer noch ein chaotisches Gebilde.
Jetzt kommt 6 GHz ins Spiel.
Da das 6-GHz-Band auf der Client-Seite nur begrenzt unterstützt wird, gibt es eine Anwendung, die die 6-GHz-Kanäle und das dritte Funkgerät in diesen neuen APs voll ausnutzen kann. Diese Anwendung ist Mesh-Backhaul.
Die Verwendung von 6 GHz als Mesh-Backhaul ist der Doppeldeckerbus der Automobilwelt. Es ist nicht das Superauto auf dem Plakat, aber es ist das Nutzfahrzeug, das wir heute brauchen. Sicher, bei Mesh-Backhauls sinkt der Durchsatz bei jedem Hop, aber wenn Sie mit einem 320 MHz breiten Kanal und acht räumlichen Streams beginnen können, haben wir Bandbreite zum Verbrennen.
Überlassen Sie den Clients sowohl das 2,4- als auch das 5-GHz-Spektrum für die Verbindung und lassen Sie die APs mit der kabelgebundenen Leistung, den drei Funkgeräten und den acht Funkketten an die Arbeit gehen. Auch ohne ein automatisches Frequenzsteuerungssystem (AFC), das die Installation von 6-GHz-APs im Außenbereich ermöglicht, gibt es immer noch viele Orte an denen ein Wi-Fi-Designer 6-GHz-Mesh-Backhaul im Innenbereich nutzen kann - und zwar schon heute.
Und was ist mit den verrückten Ecken die eine Abdeckung benötigen zu denen Sie aber keine Kabelverbindung herstellen können? Mit 6-GHz-Mesh sind Sie bestens versorgt. Sie müssen eine drahtlose Brücke über ein großes Auditorium bauen? 6-GHz-Mesh-Backhauls. In der Tat gibt es viele Anwendungsfälle in denen Entwickler diese neuen dritten Funkgeräte in APs nutzen können ohne ein einziges Client-Gerät zu haben, das das neue Spektrum unterstützt.
Sobald die AFCs online gehen - mit etwas Glück Anfang 2023 - und wir diese neuen Funkgeräte im Freien einsetzen können, wird dies endlich eine sensationelle Neuigkeit für Wi-Fi im Freien sein. Wir lassen das IoT und andere Geräte einfach auf den 2,4-GHz-Funkgeräten und das Client-Wi-Fi auf den 5-GHz-Funkgeräten, wobei alle 6 GHz als Mesh-Backhaul nutzen. Die Kosteneinsparungen bei Wi-Fi im Freien werden atemberaubend sein. Ist das so aufregend wie die Supercars meiner Jugend? Nö. Nicht einmal annähernd.
Aber für einen Wi-Fi-Nerd wie mich sieht dieser Doppeldeckerbus schon sehr attraktiv aus.